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Störender Schatten: Was tun an der Grundstücksgrenze?

Störender Schatten: Was tun an der Grundstücksgrenze?

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. V ZR 229/14)1 kann ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn nicht die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen verursachten Verschattung verlangen. Dazu erreichte uns die Zuschrift einer Leserin, die fragte, wie sie sich bei ihrer 60 Jahre alten Eiche zu verhalten hat, die direkt an der Grundstücksgrenze steht.

„Die Nachbarn haben auf ihrer Seite alles weggeschnitten und nun soll ich auf meiner Seite alle Äste bis zur halben Höhe abschneiden. Für mich ist das Baumverstümmelung! Vielleicht weiß jemand Rat?!“

Wir haben unseren Baumrecht-Experten Rainer Hilsberg gefragt.

Hier seine Antwort:

„Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch auf Beseitigung der Eiche wegen nicht ausreichenden Grenzabstands aufgrund Zeitablaufs ausgeschlossen beziehungsweise verjährt ist. Die Nachbarrechtsgesetze enthalten zum Teil Bestimmungen über die Verjährung, andere sehen eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs vor. Die Frist liegt dabei meist zwischen zwei und sechs Jahren.

Einige Nachbarrechtsgesetze regeln statt oder neben dem Beseitigungsanspruch einen Anspruch auf Kürzung der Anpflanzung. Auch dieser Anspruch dürfte bei dem Alter der Eiche (60 Jahre) nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden können. Mangels näherer Informationen kann diese Frage aber nicht abschließend beurteilt werden.

Nicht jeder ist erfreut, wenn große Bäume an sein Grundstück angrenzen. (Foto: Hilsberg)

Soweit danach ein Kürzungsanspruch nach dem Nachbarrechtsgesetz ausscheidet, könnte sich ein solcher Anspruch aus § 1004 BGB ergeben. Ein Anspruch aus § 1004 BGB auf Verkürzung besteht aber nur im Fall einer Eigentumsstörung. Eine solche wird nicht schon dadurch begründet, dass ein Baum einen bestimmten Grenzabstand oder eine bestimmte Höhe überschreitet.

Erforderlich ist vielmehr eine von dem Baum ausgehende konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks. Dabei zählt ein durch den Baum verursachter Entzug von Licht als so genannte negative Einwirkung nicht zu den nach § 1004 BGB abwehrfähigen Beeinträchtigungen.

Schließlich könnte der Nachbar einen Rückschnitt noch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis i.V.m. Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten. Dies erfordert aber, dass ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen ausnahmsweise dringend geboten erscheint.

Dazu müsste eine unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbarn vorliegen (zum Beispiel eine erhebliche Beschattung und Verdunklung des Nachbargrundstücks), die der Eigentümer des Baumes ohne weiteres beheben könnte.

Ob der Nachbar wegen der Höhe des Baumes einer ungewöhnlichen und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung ausgesetzt ist, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Zum einen fehlen nähere Angaben hierzu, zum anderen lässt sich dies letztlich nur durch eine Ortseinsicht beziehungsweise gegebenenfalls Gutachten klären.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis liegen in der Praxis nur selten vor. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen spielt nach der Rechtsprechung auch eine Rolle, ob der verlangte Rückschnitt zu einem Absterben des Baumes führen würde und damit einer Beseitigung gleichkäme, auf die der Nachbar gerade keinen Anspruch hat.

Wenn der Baumeigentümer dem Verlangen des Nachbarn nicht nachgibt, muss der Nachbar die Durchsetzung seines Anspruchs, gegebenenfalls nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens, auf dem Gerichtswege verfolgen. Bejaht das Gericht einen Anspruch auf Kürzung, muss der Baumeigentümer unter Umständen auch eine „Verstümmelung“ seines Baumes hinnehmen.“ //

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