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Totholz: Mehr Wissen, weniger Angst

Totholz: Mehr Wissen, weniger Angst

Totholz bietet vielfältigen Lebensraum, sei es als Ast in der Krone oder als stehender Baumtorso. Doch wie sieht es mit der Verkehrssicherheit von Totästen und Baumtorsi aus? Andreas Detter (Brudi & Partner TreeConsult Baumsachverständige) gab bei der Tagung „Bäume in der Stadt“, die am 19. Oktober in Nürnberg stattfand, praktische Tipps.

von Angelika Hager

Andreas Detter informierte dabei zunächst über potenzielle Lebensräume in toten, zum Teil stehenden, Bäumen. Es gibt verschiedene Formen stehenden Totholzes, dabei kann es sich um einzelne Äste am lebenden Baum oder auch einen komplette abgestorbene Baum handeln. Freiliegendes Holz in der besonnten Oberkrone ist ein seltenes Habitat. In Städten wird aufgrund von Verkehrssicherungsängsten diese wertvolle Lebensstätte oft entfernt, dabei ist diese Angst gerade in Bezug auf Eichen unbegründet. Deren Äste haften erfahrungsgemäß jahrelang in der Oberkrone und werden nur langsam von außen nach innen zersetzt, so dass lediglich kleine Holzteile herabfallen, die keinen maßgeblichen Schaden anrichten können.

Seltenes Habitat: Besonntes Totholz in der Oberkrone. (Foto: A. Detter, Brudi & Partner TreeConsult, Gauting)

Detter zeigte verschiedene Beispiele, darunter eine bereits vor 2010 abgestorbene Eiche im Stiftungspark Bernried am Starnberger See, als Lebensstätte des Eremiten. Dieser geschützte Käfer konnte hier auch nach Jahren noch nachgewiesen werden – erstaunlich, da er eigentlich von lebenden Bäumen abhängig ist.

Vom stehenden Totholz entwickelt sich das liegende Totholz bis hin zum Mulm, eine Vielfalt an Lebensräumen. Morschungen bieten Habitate für den Balkanschröter, der dem Hirschkäfer ähnlich ist.

Zur Standsicherheit von Baumtorsi

Mit Blick auf die Standsicherheit von Baumtorsi beschrieb Detter, dass die stammnahen Wurzelanläufe extrem wichtig sind, damit der Baum nicht kippt. Beim Eschentriebsterben treten beispielsweise nicht nur in der Krone Schäden auf, sondern auch eine massive Wurzelfäule.

Bei der Standzeit eines Torsos von über zehn Jahren und einer Höhe von über zehn Metern empfiehlt er die Option, den Baum auf eine Höhe von fünf bis sieben Meter abzusetzen und das Biotopholz an anderer Stelle wieder aufzustellen und zu erhalten. Für schützenswerte Habitate empfiehlt sich demgegenüber eine Sicherung durch sog. Exoskelette aus Carbonstangen, die aus Reststoffen der Windenergienutzung hergestellt und jahrzehntelang wiederverwendet werden können (vgl. BAUMZEITUNG Ausgabe 5/2021).

Stützrahmen aus Carbon an einem Pappeltorso in Gauting. (Foto: A. Detter, Brudi & Partner TreeConsult, Gauting)

Als gefahrenverringerndes Merkmal nennt er junge abgestorbene Torsi (jünger als fünf Jahre) mit einer geringeren Höhe als fünf Metern, da hier von weniger Hebelwirkung auszugehen ist, sowie einer graden Wuchsform. Auch kann ein tragfähiges Efeugerüst einen abgestorbenen Baum gut stützen, dabei müssen aber auch Risiken abgewägt werden: Was befindet sich in der Nähe oder welcher Schaden entsteht, wenn es zu einem Versagen kommt?

Mehr Wertschätzung für Stadtbäume

Bei der Tagung, die die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) in Kooperation mit dem BUND Naturschutz (BN) in Bayern e. V. veranstaltet hat, ging es außerdem um mehr Wertschätzung für Stadtbäume und deren ökologische Leistungen. Angela Burkhardt-Keller und Christopher Busch vom BUND Naturschutz in Bayern e.V. stellten verschiedene Aktionen für den Baumschutz in Bayern vor, beispielsweise „Neue Chancen für alte Bäume“ oder Aktionen zum Thema Baum, wie die Baumpatenschaften in Nürnberg, wo rund 2.000 Patenbäume von 1.200 Paten und Patinnen versorgt werden. Der BN bietet zudem viel kostenloses Informationsmaterial an sowie Publikationen, beispielsweise den Aktionsleitfaden Zukunftschancen für Freund Baum.

Ökosystemleistungen berechnen

Prof. Dr. Thomas Rötzer von der TU München berichtete in seinem Vortrag von der „Quantifizierung der Ökosystemleistungen von Stadtbäumen.“ Diese sei abhängig von der Art, Anordnung, Anzahl, Struktur, Vitalität der Bäume und dem Standortklima sowie den Bodenverhältnissen. Rötzer stellte Untersuchungsergebnisse vor von mehr als 8.000 Bäumen in über 20 Städten, die in zehn Jahren aufgenommen wurden.

Die Daten sind Grundlagen für verschiedene Auswertungen und für die Entwicklung des Modells CityTree, das Ökosystemleistungen einzelner Baumarten berechnet. Mehr zu den Ergebnissen und weiteren Themen der Tagung lesen Sie in der Dezember-Ausgabe der BAUMZEITUNG, die am 16. Dezember erscheint. //

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