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Dürfen Umweltverbände gegen Fällgenehmigungen klagen?

Dürfen Umweltverbände gegen Fällgenehmigungen klagen?

Genehmigungen für Baumfällungen sind oft umstritten. Dagegen können meist nur Umweltverbände im Wege der Umweltverbandsklage vorgehen. Der VGH Kassel hat kürzlich entschieden, dass dieses nicht zulässig sei. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs lässt andere Schlüsse zu.

von Dr. Cedric Vornholt

Eigentlich geht es bei dem Urteil vom Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 08.11.2022, Rs. C-873/19) um den Dieselskandal. Auswirkungen hat diese Entscheidung voraussichtlich aber auch auf Klagen von Umweltverbänden gegen Baumfällgenehmigungen.

Wie Bäume geschützt sind

Genehmigungen für Baumfällungen und andere Eingriffe an Bäumen sind rechtlich nur schwer überprüfbar. Die Rechtsgrundlage solcher Genehmigungen hängt davon ab, wie Bäume rechtlich geschützt sind. Gilt eine Baumschutzsatzung, ist eine Ausnahme nach der Baumschutzsatzung oder eine naturschutzrechtliche Befreiung (§ 67 BNatSchG) erforderlich. Schützt ein Bebauungsplan Bäume, wird meist eine baurechtliche Befreiung (§ 31 Abs. 2, 3 BauGB) einzuholen sein. Für diese Genehmigungen gilt wie für die meisten umwelt- und naturschutzrechtlichen Genehmigungen, dass sie nicht drittschützend sind. Das bedeutet, insbesondere Nachbarn oder andere engagierte Bürger können Baumfällgenehmigungen nicht angreifen und nicht gerichtlich überprüfen lassen.

Umweltverbände können klagen

Diese Möglichkeit steht nur Umweltverbänden im Wege der Umweltverbandsklage zu. Geregelt ist diese im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), das wiederum auf europäischem Recht basiert. In den vergangenen Jahren beanstandete u.a. der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Deutschland die unionsrechtlichen Vorgaben an die Umweltverbandsklage nur unzureichend umgesetzt habe.

Als 2017 das UmwRG zuletzt novelliert wurde, wollte der Gesetzgeber damit die europarechtlichen Vorgaben abschließend umsetzen. Dem EuGH zufolge ist der deutsche Gesetzgeber damit (erneut) gescheitert.“

Gegen welche behördlichen Entscheidungen die Verbandsklage zulässig ist, ist in § 1 Abs. 1 UmwRG geregelt. Neben zahlreichen Einzelmaßnahmen gibt es mit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG einen Auffangtatbestand, der einen möglichst weiten Anwendungsbereich der Umweltverbandsklage sicherstellen soll. Die Rechtspraxis hat jedoch in den letzten Jahren gezeigt, dass für viele Entscheidungen heftig umstritten ist, ob sie diesem Auffangtatbestand unterfallen.

Umweltverbandsklage gegen Fällgenehmigung zulässig?

Erst kürzlich hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel (Beschluss vom 22.4.2022, 4 B 503/22) entschieden, dass auch Baumfällgenehmigungen nach Baumschutzsatzungen keine Entscheidungen im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes seien und Umweltverbände deswegen nicht gegen sie klagen dürften. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG lässt die Verbandsklage nur gegen Verwaltungsakte und öffentlich-rechtliche Verträge zu, durch die Vorhaben u.a. unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Landesrechts zugelassen werden. Nach Auffassung des VGH Kassel sind Ausnahmen von Baumschutzsatzungen keine solchen Vorhaben, weil Baumschutzsatzungen als kommunale Satzungen keine Vorschriften des Landesrechts seien. Diese umstrittene Auffassung wird im Lichte der Entscheidung des EuGH kaum noch zu halten sein.

Es kommt auf den Umweltbezug an

Nach dem EuGH komme es nur darauf an, ob die fragliche Regelung in irgendeiner Weise einen Umweltbezug hat. Danach dürfe der Anwendungsbereich der Verbandsklage nicht dadurch eingeschränkt werden, dass das Umweltrechtsbehelfsgesetz bestimmte umweltrechtliche Bestimmungen von der Möglichkeit der Verbandsklage ausnimmt. Der EuGH hat sich damit von dem engen Kontext des zugrundeliegenden Falls zur Dieselthematik gelöst und allgemeine Aussagen zur Verbandsklage getroffen.

Die Entscheidung hat damit das Potential, Klarheit in den Streit über die Einschränkbarkeit und Reichweite der Umweltverbandsklage zu bringen.“

Für Ausnahmen und Befreiungen von baumschutzrechtlichen Vorschriften wird man nun kaum noch vertreten können, dass Umweltverbände diese Entscheidungen nicht mehr angreifen können. Gleichwohl wird kaum mit einer ausufernden Klagewelle zu rechnen sein. Denn schon allein wegen der Menge von Fällgenehmigungen werden die Umweltverbände kaum die Kapazitäten besitzen, für den Erhalt jedes Einzelbaums zu streiten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat wegen der Entscheidung des EuGH eine Entscheidung zu Fragen der Umweltverbandsklage kurzfristig vertagt. Ob und wie der Gesetzgeber nun auf die Entscheidung des EuGH reagieren wird, bleibt abzuwarten – eine Überarbeitung der Umweltverbandsklage würde zumindest nicht überraschen. //

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