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Urteil: Zumutbare Baumimmissionen

Urteil: Zumutbare Baumimmissionen

Bäumen kommen überwiegend positive Eigenschaften zu. Abfallendes Laub verspürt mancher jedoch als unzumutbare Belästigung und möchte deswegen gerne Äste stutzen oder Bäume gleich ganz fällen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth (Urteil vom 24.11.2022, B 9 K 21.213) hat einen Kroneneingriff bei einem geschützten Baum untersagt und einmal mehr Laub als hinzunehmende Baumimmission anerkannt.

von Dr. Cedric Vornholt

Der Sachverhalt

Auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich eine Esche, die durch eine Baumschutzverordnung geschützt ist. Die Klägerin beantragte die Erlaubnis zum Rückschnitt eines Astes, weil das Laub der Esche regelmäßig die Dachrinnen ihres Wohnhauses verstopfe. Zudem könne das Wohnzimmerfenster nicht mehr geöffnet werden, weil das Laub dann ins Haus falle, und die Dachziegel vermoosten. Schließlich würden Gefahren für Leib und Leben sowie für das Eigentum am Haus drohen, weil der Baum bei einem Sturm auf das Haus stürzen könnte. Erkennbare Schäden wies der Baum nicht auf.

Mit diesen Argumenten konnte sich die Klägerin vor dem VG Bayreuth nicht durchsetzen. Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da das Gericht damit der Linie der bisherigen Rechtsprechung folgt.

Verbotener Astrückschnitt

Bemerkenswert ist hingegen, dass das Gericht sich näher dazu äußert, ab wann die Entfernung eines Astes untersagt ist. Baumschutzsatzungen/-verordnungen untersagen neben der Beseitigung und Beschädigung auch die nachhaltige Veränderung von Bäumen. Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der verschieden interpretiert wird. Nach dem VG Bayreuth wird ein Baum nachhaltig verändert, wenn durch die Herausnahme eines Astes ein erheblicher Teil der Krone verloren geht. Konkret nahm das Gericht an, dass der Baum etwa ein Drittel seiner Photosynthesefläche verlieren würde.

Keine Gefahr vom Baum

Zurecht verneinte das Gericht auch einen Anspruch auf Rückschnitt wegen Gefahren, die vom Baum ausgehen könnten. Grundsätzlich ist es zulässig, Bäume zurückzuschneiden oder sogar zu fällen, von denen Gefahren für Leib und Leben oder Sachen ausgehen. Dazu genügt es aber nicht, dass von einem Baum nur eine abstrakte Gefahr ausgeht. Vielmehr setzt die Annahme einer Gefahr voraus, dass der Eintritt eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Dazu muss der Baum jedoch ein erkennbares Schadensrisiko aufweisen. Das Gericht geht folgerichtig davon aus, dass keine Gefahr vorliegt, wenn sich ein Baum als „gut belaubt, gesund und vital zeigt und dementsprechend eine ausreichende Stand- und Bruchsicherheit aufweist.“ Lässt der Baum hingegen Schadbilder erkennen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung einen Schadenseintritt erwarten lassen, kann hingegen eine Gefahr vorliegen, die Maßnahmen am Baum erlaubt (OVG Münster, Beschluss vom 04.01.2011, 8 A 2003/09).

Dass bei extremen Wetterereignissen Astbruch droht, versteht sich von selbst und gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Rückschnitte oder Baumfällungen kann dieses allgemeine Lebensrisiko jedenfalls nicht rechtfertigen (VG Weimar, Urteil vom 04.08.2014, 7 K 1392/12 We).

Belästigungen, die von Bäumen üblicherweise ausgehen können, wie Laubfall oder das Tropfen von Baumsäften, sind keine solche atypischen Belastungen. (Foto: congerdesign)

Keine unzumutbare Härte wegen Laubfall

Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung steht auch, dass das VG Bayreuth eine Erlaubnis aufgrund des Laubfalls ablehnt. Die Klägerin sah darin eine unzumutbare Härte, die in den Baumschutzsatzungen/-verordnungen regelmäßig als Ausnahmegrund angelegt ist. Eine solche unzumutbare Härte setzt jedoch voraus, dass es sich um eine atypische Belastung durch den Baum handelt. Belästigungen, die von Bäumen üblicherweise ausgehen können, wie Laubfall oder das Tropfen von Baumsäften, sind keine solche atypischen Belastungen (VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28.06.2022, 5 K 1122/19).

Das soll nach dem VG Bayreuth auch dann gelten, wenn die Regenrinne regelmäßig von Laub und kleinen Ästen befreit werden muss. Solche Instandhaltungsmaßnahmen seien Immobilienbesitzern ebenso zuzumuten wie die regelmäßige Säuberung eines durch Bäume bemoosten Dachs. Diese lebensnahe Bewertung des Gerichts ist überzeugend, zumal sich das Verstopfen von Regenrinnen durch einfache technische Maßnahmen eindämmen lässt.

Verschattung

Bei Bäumen, die nah an Häuser heranreichen, kommt als Rechtfertigung für starke Rückschnitte und Astentnahmen häufig auch eine Verschattung in Betracht. Die Klägerin hat sich darauf jedoch nicht berufen. Allgemein sind die Hürden für eine nicht mehr hinzunehmende Verschattung sehr hoch und es bedarf schon einer mehrstündigen und erheblichen Verschattung von Aufenthaltsräumen. Dies kann dann der Fall sein, wenn dauerhaft künstliches Licht zugeschaltet werden muss und deswegen keine gesunden Wohnverhältnisse mehr gewahrt sind (VGH Mannheim, Urteil vom 02.10.1996, 5 S 831/95).

Fazit

Wer sich an Bäumen auf dem eigenen Grundstück erfreut, muss auch mit den Folgen leben. Baumimmissionen wie Laubfall gehören zu den Begleiterscheinungen, die üblicherweise hinzunehmen sind. Baumschutzvorschriften und Rechtsprechung setzen sehr hohe Hürden für Genehmigungen zum Rückschnitt von geschützten Bäumen und erlauben sie nicht wegen reiner Bagatellen. Das VG Bayreuth steht damit in einer Reihe mit der bisherigen Rechtsprechung und stärkt mit der Entscheidung den Baumschutz. //

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