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Pilz lockt Borkenkäfer

Pilz lockt Borkenkäfer

Borkenkäfer nutzen von Pilzen verstoffwechselte Abbauprodukte pflanzlicher Abwehrsubstanzen als chemische Signale, wenn sie Fichten befallen. Wie ein Forschungsteam unter Federführung des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie zeigen konnte, besitzen die Insekten spezialisierte Geruchssinneszellen für das Aufspüren dieser flüchtigen Verbindungen.

von Martina Borowski/idw

Die seit einigen Jahren beobachteten Massenausbrüche von Borkenkäfern haben in ganz Deutschland schockierende Ausmaße an Waldschäden verursacht. Wie das Statistische Bundesamt im Juli 2022 mittteilte, waren im Jahr zuvor mehr als 80 % der Bäume, die gefällt werden mussten, von Insekten geschädigt. Das aufgrund von Insektenschäden eingeschlagene Schadholz betrug mehr als 40 Millionen Kubikmeter.

Massenausbrüche von Borkenkäfern haben in ganz Deutschland schockierende Ausmaße an Waldschäden verursacht, wie hier auf dem Brocken. (Foto: Angela Overmeyer, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie)

Einer der Hauptschädlinge ist der Buchdrucker Ips typographus, der auch Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer genannt wird. Der nur wenige Millimeter lange Käfer traf beispielsweise im Thüringer Wald und im Harz auf Fichten-Monokulturen, die durch hohe Temperaturen und anhaltende Dürreperioden bereits geschwächt waren, was eine Ausbreitung des Schädlings erleichterte und innerhalb von kurzer Zeit zum Absterben riesiger Waldbestände führte, so die Mitteliung des Max-Planck-Instituts.

Chemische Kommunikation spielt große Rolle

Dass die chemische Kommunikation beim Massenbefall der Borkenkäfer eine wichtige Rolle spielt, sei Forschenden schon länger bekannt. Die Käfer suchen sich zunächst einen geeigneten Baum aus und geben dann so genannte Aggregations- oder Versammlungspheromone ab. Diese Pheromone locken in der Nähe befindliche Artgenossen an, sich einem Massenbefall anzuschließen, der die Verteidigung des Baumes überwindet. Fichten, deren Abwehrkräfte durch verschiedene Stressfaktoren bereits geschwächt sind, fallen den Käfern leichter zum Opfer.

Borkenkäfer mögen den Duft ihrer Symbiose-Pilze

Fichtenborkenkäfer brauchen verbündete Pilze, um sich erfolgreich in den Bäumen vermehren zu können. Die Pilze sind Ektosymbionten, Symbiosepartner, die außerhalb der Käfer leben. Jede neue Käfergeneration muss ihre Symbiosepilze finden und zu einem neuen Wirtsbaum tragen. 

Einer der Hauptschädlinge im Wald: der Buchdrucker Ips typographus (Foto: D. Kandasamy/V. Grabe, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie)

Ein internationales Forschungsteam um Dineshkumar Kandasamy (inzwischen an der Universität Lund) und Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena berichtet in einer neuen Studie, dass der Fichtenborkenkäfer seine Pilzpartner anhand der flüchtigen chemischen Verbindungen finden kann, die die Pilze beim Abbau von Fichtenharzbestandteilen freisetzen.

Wir hatten bereits zeigen können, dass mit den Borkenkäfern assoziierte Pilze, die auf einem Standardmedium gewachsen waren, für Borkenkäfer attraktiv waren. Nun wollten wir wissen, was passieren würde, wenn wir die Pilze auf einem natürlicheren Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen ließen. Würde das die Käfer anlocken? Wenn ja, welche chemischen Verbindungen wären für die Attraktivität verantwortlich und woher stammten sie?“

erläutert Erstautor Dineshkumar Kandasamy die Ausgangsfragen der Studie.

Chemische Abwehr wird in Lockstoff umgewandelt

Fichtenborkenkäfer sind mit Pilzpartnern verschiedener Gattungen assoziiert. Da der Pilz Grosmannia penicillata besonders gut auf dem Fichtenrindenmedium wuchs und mehr flüchtige Verbindungen produzierte als die meisten anderen getesteten Pilze, konzentrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Untersuchungen auf diesen Pilz. Die Forschenden richteten spezielle Versuchsarenen ein, in denen sie testen konnten, ob die Käfer von flüchtigen Verbindungen, die von den Pilzen abgegeben wurden, angezogen werden.

Zunächst beobachteten wir, dass die Borkenkäfer von Duftstoffen angezogen werden, die von ihren Symbiose-Pilzen abgegeben werden, wenn die Pilze auf einem Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen. Wir konnten allerdings auch zeigen, dass Pilze Terpenverbindungen aus Fichtenharz in sauerstoffhaltige Derivate umwandeln und dass einige dieser von Pilzen produzierten Stoffwechselprodukte für Borkenkäfer besonders attraktiv sind. Für uns war damit klar, dass diese flüchtigen Stoffe als chemische Signale dienen, die die Symbiose zwischen Borkenkäfern und den mit ihnen assoziierten Pilzen aufrechterhalten.“

Dineshkumar Kandasamy

Die Forschenden fanden auch heraus, dass krankheitserregende und somit für die Käfer schädliche Pilze ebenfalls Fichtenharzverbindungen verstoffwechseln können. Die dabei entstehenden Derivate sind allerdings, anders als die Stoffwechselprodukte der Symbiose-Pilze, für Borkenkäfer nicht attraktiv. Borkenkäfer können also mit ihrem Geruchssinn sehr gut erkennen, ob die anwesenden Pilze für sie gut oder schlecht sind. //

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